Die Tür                                                      

Lautlos fiel die Tür zu meinem Inneren ins schwere Schloss.

Ratlos bleibe ich stehen, an eben dieser Stelle, wo ich gerade noch so viel Schmerz und Leben zugleich spürte.

Jetzt deutet nichts, aber auch gar nichts darauf hin, dass es überhaupt eine Tür, einen Zugang gibt.

Bitte, ich will, dass die Tür sich wieder öffnet.

Ich will hineinsehen in diese Kammer, in der ich mein inneres Kind gesehen habe.

Ich will seine Tränen sehen und sein Lachen hören.

Ich brauche seinen unbändigen Lebensmut.

Ich will seine Verzweiflung spüren.

Will ich das? Das ist doch so grausam.

Sei froh, dass die Tür geschlossen ist, dass Du so tun kannst, als sei nichts gewesen!

Nein, ich bin nicht froh.

Denn nie wieder werde ich vergessen, dass es diese Kammer meines Inneren gibt.

Ich kenne das verstörte, bedrohte Kind.

Ich habe mit ihm geweint, gelitten, es getröstet und im Arm gehalten.

Dieses Kind gehört zu mir. Erst mit diesem Kind bin ich ganz.

Deshalb verwirrt es mich so sehr, wenn die Tür sich schließt.

Sie verschließt das Elend vergangener Zeiten.

Sie verschließt den Zugang zu Gefühlen von früher und jetzt.

So verschließt sie das Leben selbst.

Übrig bleibt eine souveräne, kompetente, fleißige, tapfere, zielstrebige und zähe Frau.

Aber ohne Zugang zur inneren Kammer ist sie hart und leb-los.

Sie wirkt fremd, gefühllos, unbarmherzig, herzlos.

Daher flehe ich:

Bitte, du schwere, unsichtbare Tür, öffne dich wieder!

Lass mich ein- und ausgehen, so wie ich will.

Versperre mir nicht den Zugang.

Schütze mein Inneres vor Gefahren.

Aber bitte gewähre mir Zugang!

 

Bitte!

 

 

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